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Wissenschaft aktuell

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Wissenschaft aktuell 18.05.2016

"Erwachsene legen den Keim für die Smombies der nächsten Generation."

Längst ist das Smartphone nicht mehr nur am Steuer ein Verkehrsrisiko. Immer öfter kommt es zu Unfällen, weil Smartphone-Nutzer unachtsam durch die Stadt laufen - und dabei auf ihr Display starren, statt geradeaus.

Wie viele Fußgänger durch ihr Smartphone abgelenkt werden, belegt eine aktuelle Erhebung der DEKRA-Unfallforschung, die die Mediennutzung im Straßenverkehr in den sechs europäischen Städten Amsterdam, Berlin, Brüssel, Paris, Rom und Stockholm vergleicht. Mit einem eindrücklichen Ergebnis: Von den 14.000 erfassten Fußgängern nutzten fast 17 Prozent ihr Smartphone offensiv im Straßenverkehr. Teachtoday sprach mit Walter Niewöhner (Foto Mitte), Teamleiter der DEKRA-Unfallforschung, über die Ergebnisse der Erhebung.

Herr Niewöhner, was war die Ausgangslage für Ihre Studie zur Nutzung von Smartphones im Straßenverkehr?
Unfallgutachter von DEKRA berichteten von Fällen, bei denen neben angefahrenen Fußgängern ein Smartphone auf der Straße lag. Hinzu kamen Beobachtungen im Straßenverkehr, dass Fußgänger beim Überqueren der Straße nur das Smartphone fokussierten, ohne den Verkehr wahrzunehmen. Wir hatten für eine andere Untersuchung ermittelt, wie viele Pkw-Fahrer mit dem Handy am Ohr das Fahrzeug führen. All das zusammengenommen brachte uns auf die Idee, im Straßenverkehr die Fußgänger ebenso zu beobachten.

17 Prozent der Fußgänger waren im Straßenverkehr mit ihrem Smartphone beschäftigt. Die Nutzung im öffentlichen Raum ist also wahrscheinlich sehr normal. Sehen Sie denn Chancen, dass sich daran etwas ändern könnte?
Ich persönlich hoffe noch, dass man durch Öffentlichkeitsarbeit alle Verkehrsteilnehmer inklusive der Fußgänger überzeugen kann, die Nutzung des Smartphones während der aktiven Teilnahme am Straßenverkehr zu unterlassen. Sollte dies nicht in erheblichem Umfang gelingen, muss man sich ernsthaft Gedanken machen, ob hier nicht ein Verbot durch den Gesetzgeber mit entsprechender Strafe sinnvoll wäre.

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Welche besonders riskanten Verhaltensweisen sind Ihnen aufgefallen?
Unsere Erhebungs-Teams berichteten teils von extremen einzelnen Ablenkungs-Situationen. Was immer wieder beobachtet wurde, waren Gruppen von jungen Menschen, die gemeinsam in ein Smartphone schauten, während sie die Straße überquerten. In einem Fall kollidierte sogar die ganze Gruppe mit einem Fahrradfahrer. Besonders eindrücklich war auch eine Szene in Stockholm: Ein junges Mädchen bleibt mitten auf der Straße stehen, holt ihr Handy heraus und beginnt zu tippen. Erst als ein Busfahrer hupt, wird ihr klar, wo sie steht, und sie geht weiter. Solche und ähnliche Situationen haben unsere Teams immer wieder beobachtet.

Das Smartphone führt also dazu, dass die Menschen ihre Umgebung völlig vergessen. Woran liegt das?
Man ist sehr auf das Display fokussiert. Dadurch kann das Gehirn je nach Konzentrationsgrad auch andere Reize ausblenden.

Rational würden die meisten Menschen sicherlich sagen, dass es keine gute Idee ist, sich vom Telefon ablenken zu lassen. Woher kommt Ihrer Meinung nach die Diskrepanz?
Es wirkt schon fast wie eine Sucht: Der Verstand weiß, dass dieses Verhalten nicht gut ist. Man tut es trotzdem - offenbar weil man sich gut fühlt, wenn man mit seinem Umfeld kommunizieren kann.

Haben Sie Handlungsempfehlungen für Nutzer, gerade auch in Hinblick auf Kinder und Teenager?
Allgemein ist die dringende Empfehlung, das Smartphone nur dann zu nutzen, wenn man nicht aktiv am Straßenverkehr teilnimmt, also zum Beispiel die Straße überquert oder ein Fahrzeug führt. Gerade Eltern sollten ihren Kindern ein gutes Beispiel geben und das Smartphone nicht nutzen, wenn sie am Verkehr beteiligt sind. Denn Kinder werden immer zuerst vom Verhalten ihrer Eltern geprägt. Sie versuchen alles zu kopieren. Kleine Kinder beobachten genau. Sie erlernen dadurch, wie sie die unterschiedlichsten Situationen meistern können. Wenn Kinder bei ihren Eltern dieses Verhalten beobachten, wird es für sie normal sein, es genauso zu machen. Die Eltern, die heute mit Kinderwagen und Smartphone vor dem Gesicht die Straße überqueren, impfen dieses Auftreten ihrem eigenen Nachwuchs ein. Sie legen den Keim für die Smombies der nächsten Generation. Stattdessen sollten Eltern ihre Kinder darüber aufklären, wie gefährlich ein solches Verhalten ist. Auch andere Erwachsene haben im Straßenverkehr eine Vorbildfunktion für Kinder und Jugendliche.

Das Interview führte Martin Daßinnies.

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