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Aus der Praxis

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Aus der Praxis 23.08.2016

YouNow – Die Showbühne im Kinderzimmer

Der Traum von jungen Menschen, eines Tages berühmt zu werden ist nicht neu. Durch soziale Medien steht jedem Jugendlichen heute der Bühnenvorhang offen. Mit der Plattform YouNow sind Kinder und Jugendliche nur einen Klick von ihrem Publikum entfernt. Das Jugendzimmer wird zur Showbühne.

Vom Krach mit den Eltern und nervigen Lehrern erzählt Lara. Nicht ungewöhnlich für eine 16-Jährige, die Montagabend auf dem Bett ihres Jugendzimmers sitzt. Ihr gegenüber sitzen aber nicht ihre drei besten Freundinnen, sondern 1.813 deutschsprachige User. Minütlich werden es mehr. Persönlich kennt Lara davon keinen Einzigen. Im Moment führt sie das Ranking der Live-Streamer/innen mit dem Hashtag "deutsch-girls" haushoch. Und diese Top-Position wird letztlich auch zum Hauptthema für Lara. "Schaffen wir die 2k? Kommt schon Leute!" – und tatsächlich poppen 100 Likes auf einmal von Top-Fan Kevin auf. Er hat knapp 8 Euro dafür bezahlt, Lara auf einmal mit 100 Likes gleichzeitig zu beschenken. "So läuft das hier", beschwört Lara ihre Fans weiter und unterbricht ihren Redeschwall nur selten.

56 Minuten lang sammelt sie schon "Einschaltquote", für heute ist der Zenit bald erreicht. Sie würde bald off gehen, erklärt Lara, worauf die hunderten hereinfliegenden Emoijs im Chatfenster ihre Gesichter augenblicklich von aufgeregt auf traurig wechseln. Trotzdem, Lara merkt, dass die Zahl ihrer Viewer stagniert – und das ist "ungeil". Nach wenigen Minuten ist sie off. Inhaltlich ist wenig zu berichten von den 64 Minuten, die Lara online war. Was bleibt, ist die kurze Aufmerksamkeit vieler.

Mindestalter wird nicht kontrolliert
Berühmtheit für Minuten. Darin liegt offenbar der Hauptgrund für den Erfolg der Plattform – besonders unter Kindern und Jugendlichen. Obwohl offiziell erst ab 13 erlaubt, sind viele der Nutzer sichtlich jünger. Durch einen Klick beim erstmaligen Öffnen der Seite definiert sich jeder Nutzer als unter oder über 18. Wer sich selbst als minderjährig definiert, darf auch die Streams der Minderjährigen verfolgen. Wer nur konsumieren möchte, ohne selbst zu streamen, muss sich auch nicht identifizieren. Wenngleich die Plattform selbst eine redaktionelle Kontrolle der Zugangsbestimmungen versichert, scheint diese aus praktischer Sicht unmöglich.

Fehlender Schutz für Streamer
Der freie Blick ins Kinderzimmer steht damit für alle offen – auch für jene, denen dieser Blick besser verschlossen bleiben sollte. Daten- und Jugendschützer äußern seit dem Boom der Plattform zu Beginn des Vorjahres massive Bedenken. Ihre Kritik betrifft vor allem die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, den fehlenden Jugendschutz und die Probleme, die auf die Streamer/innen durch die Verletzung von Urheberrechten zukommen könnten, wenn sie etwa Musik im Hintergrund ihres Streams ablaufen lassen. Wenngleich diese Bedenken durchaus begründet erscheinen, zeigen erste wissenschaftliche Untersuchungen, dass sich die weitaus überwiegende Zahl der Nutzer von YouNow offenbar durchaus der Gefahren bewusst ist.

Eine Untersuchung der Uni Düsseldorf etwa kommt zum Schluss, dass "nur" 8 Prozent der möglichen Rechtsverletzungen durch Livestreamings auf YouNow das Jugendschutzgesetz betreffen. Fast alle streamenden Jugendlichen ignorieren Aufforderungen "mehr" zu zeigen oder reagierten entweder mit einer klar ablehnenden Antwort bzw. der Verbannung aus dem eigenen Stream. Der weitaus höchste Anteil an möglichen Rechtsverletzungen (69 Prozent) betrifft das Urheberrecht gestreamter Musikstücke. Eine Ahndung dieser Art von Rechtsverletzungen scheint jedoch unwahrscheinlich.

Tipps für Eltern und Lehrende
Wenn also das Streamen auf YouNow durchaus rechtlich bedenklich ist: die allermeisten Jugendlichen kommen offenbar gut damit klar. Auch die Plattform saferinternet.at warnt vor übertriebener Panik und rät Eltern davon ab, ihren Kindern die Nutzung von YouNow zu verbieten. Viel besser ist es, über die Risiken von Livestreams aufzuklären. Vor allem die Möglichkeit, aufdringliche Zuschauer zu melden oder zu blockieren sollte den streamenden Kindern und Jugendlichen bewusst sein. Auch im schulischen Unterricht könnte die Plattform zum Thema und das Urheberrecht bzw. das Recht am eigenen Bild thematisiert werden.

Der Beitrag stammt von Walter Fikisz, Social Media Manager/Pädagogische Hochschule Niederösterreich. Geschrieben für den Kids Blog von T-Mobile Austria.
www.kids.t-mobile.at

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