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Jeder kann sein, wer sie will

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„Gaming ist eigentlich ein Fun-Universum… Spielen könnte das pure Glück sein, aber leider nicht, wenn man eine Schwarze Frau ist.“ So berichtet Jennifer Lufau und will das mit ihrer Initiative Afrogameuse ändern.

Sie klagt: „Die meisten Schwarzen, weiblichen Charaktere sehen nach nichts aus. Sie sind schlecht gezeichnet, stereotyp oder einfach weiße Figuren, die schwarz angemalt wurden.“

Lebenswelt und Spielwelt

Die Anzahl von Spielerinnen nimmt weltweit stetig zu. Spielerinnen machen mittlerweile nach nationalen und globalen Studien die Hälfte der Gamebegeisterten aus. Das spiegelt sich jedoch nicht in Anzahl und Qualität der weiblichen Spielcharaktere wider: Die Welt in den Spielen ist überwiegend weiß, jung, maskulin und heterosexuell. Die Lebenswirklichkeit anderer Ethnien, Altersgruppen, sexueller Orientierung oder mit Behinderung wird noch immer zu selten erzählt . Ein ähnliches Bild findet sich in den Statistiken über Beschäftigte in der Gameproduktikon: Fast dreiviertel von ihnen sind kaukasisch-europäisch, während z.B. POCs nur ein Prozent ausmachen. Ähnlich sieht es mit der sexuellen Orientierung und Identität der Beschäftigten aus: 75 Prozent definieren sich in der Gaming-Branche als männlich.

Doch es gibt erste Anzeichnen, dass sich das ändert. Oft sind es kleine Spielfirmen, sog. Indie-Produktionen, die mit neuen Figuren experimentieren: So brachte Nodding Heads Games (Indien) 2020 ein Spiel heraus, in dem ein Mädchen ihren entführten Bruder retten muss, Raji: An Ancient Epic (USK 6).

Auch große Spielfirmen, wie das niederländischen Entwicklerstudio Guerrilla Games, gehen neue Wege: In dem Action Rollenspiel Horizon: Zero Dawn (USK 12) von 2020 ist mit der Heldin Aloy ein überzeugender starker Frauencharakter geglückt, in den sich sogar Spielekritiker gut hinein versetzen können. Die Heldin wächst in einem Matriarchat auf. Das Leben von Aloy wird von diesem Umstand geprägt, weil die Identität ihrer so wichtigen Mutter nicht nur ein Rätsel für den Spieler, sondern auch für Aloy selber ist. In dem Spiel finden sich weitere interessante weibliche Charaktere und vielschichtige Männerfiguren in unterschiedlichster Schattierung. Das Spiel hat allerdings einige explizite Kampfszenen, weshalb es vom Spieleratgeber NRW erst ab 14 Jahren empfohlen wird.

Spielen, lernen, ausprobieren

Computerspiele sind inzwischen als Kulturgut anerkannt und zählen als wichtiges Leitmedium, wenn es um Bildung und Unterhaltung geht. Beim Heranführen von Kindern an Spiele, sollten Erwachsene darauf achten, wie genderfair und vielfältig es zugeht.

Wichtige Fragestellungen könnten sein:

  • Wie einheitlich wirken und verhalten sich weibliche und männliche Charaktere?
  • Handelt es sich bei den weiblichen Figuren um Spielfiguren oder fungieren sie eher als Werkzeuge oder gar Belohnung?
  • Dürfen männliche Figuren verletzlich sein und Schwäche zeigen?
  • Wie vielschichtig sind Hintergrund und Erfahrungswelt der einzelnen Figuren?
  • Welche gesellschaftlichen Schönheitsideale werden dargestellt und/oder sind sie womöglich stark überzeichnet?
  • Kommen in dem Spiel andere Ethnien vor? Welche Rollen besetzen sie?
  • Von wem gehen Handlungsinitiativen und Interaktionen aus?
  • Welche Aufgaben und Herausforderungen haben weibliche und männliche Figuren und wie bringen sie jeweils das Spiel voran?
  • Werden eingefahrene Spielnarrative verwendet wie die Jungfrau in Nöten oder die Jungfrau-Escort-Mission?

Chancengleiche Lebens- und Lernräume schaffen

Gemeinsames Spielen, Austauschen und Diskutieren in offener Atmosphäre über Spielerlebnisse und Erfahrungen mit Figuren tragen dazu bei, dass Kinder sich kritisch mit Gegebenheiten im Spiel auseinandersetzen. Genderfaire Spiele können zum Beispiel Impulse für eine chancengleiche kindliche Entwicklung liefern. Denn Rollenzuweisungen betreffen nicht nur Vorlieben für Farben und Kleidung, sondern auch Lernmotivationen und -ziele, Fähigkeiten und Bildungsinhalte.

Genderfairen Games gelingt es, Mädchen wie Jungen Zugänge zu den digitalen Medien zu eröffnen und eine Mischung aus Spiel-, Spaß- und Lernangeboten bereitzustellen, die Rollenkonventionen überwinden. Will man diese Computerspiele in die Medienerziehung einbeziehen, dann sollte es darum gehen, eine Atmosphäre zu schaffen, die Kinder bei der Verarbeitung ihrer Medieneindrücke unterstützt.

  • Genderfaire Lebenswelten und Lernräume ermöglichen es Mädchen wie Jungen Computerspiele auszuwählen, die an ihre individuellen Erfahrungen und Interessen anknüpfen.
  • Genderfaire Lebenswelten und Lernräume bieten vielfältige Möglichkeiten für die spielerische Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen, für die Erprobung von Verhaltensweisen und für die Reflexion der kindlichen Rollenerfahrungen.
  • Genderfaire Lebenswelten und Lernräume bestärken die Kinder darin, individuelle Entwicklungen, Interessen, Fähigkeiten und Neigungen wertzuschätzen – bei sich selbst wie auch bei anderen.

Die heutige Spielewelt ist eine sehr aktive und kommunikative Welt, in der viele Spielende sich mit ihren Erfahrungen und Wünschen einbringen können. Eine englische Studie über computerspielende Kinder weist nach, dass vor allem Interaktivität und Teilhabe die Kinder zum Lernen motiviert: 60 Prozent der Jugendlichen, die Videospiele spielen, schreiben monatlich etwas über ihr Spielerlebnis oder geben Ratschläge. Auf diese Weise entwickeln sie spielerisch Lesekompetenz, strategisches Denken, Empathie und Kollegialität.

Afro |gam | euse ist eine französisch-englische Wortschöpfung in femininer Ausprägung.

Genau hier will Jennifer Lufau auch mit ihrer Initiative ansetzen: Sie will mehr Schwarze Mädchen und Frauen ermutigen, beruflich in die Gamebranche einzusteigen, in der Hoffnung, dass künftig durch mehr Diversität im Arbeitsbereich Spielentwicklung vielfältigere Charaktere und Erzählungen entstehen. Das wäre auch für andere marginalisierte Gruppen wünschenswert.

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